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VwGH setzt neue Maßstäbe für gemischte Schenkungen

21 Dezember 2021

In seiner Entscheidung vom 16.11.2021 (Ro 2020/15/0015) hat der Verwaltungsgerichtshof neue Maßstäbe für Immobilienübertragungen zwischen Familienangehörigen gesetzt, die zukünftig zu einer geringeren Steuerbelastung insbesondere bei vorweggenommener Erbfolge führen können.

Diesem Erkenntnis lag folgender Sachverhalt zugrunde: 

  • Ein Wohnhaus stand im Hälfteeigentum eines Ehepaars (Verkehrswert rund EUR 844.000).
  • Das Ehepaar übertrug das Eigentum an die gemeinsame Tochter. Im Gegenzug verpflichtete sich die Tochter unter anderem, den drei Geschwistern Ausgleichszahlungen zu je rund EUR 211.000 (gesamt EUR 633.000) zu leisten.
  • Die Ausgleichszahlungen betrugen somit rund 75% des Verkehrswerts der Liegenschaft.


Für entgeltliche Grundstücksübertragungen sehen §§ 30 ff EStG grundsätzlich eine Einkommensteuer in Höhe von 30% vor. Es stellte sich die Frage, ob in diesem Sachverhalt von einem entgeltlichen Vorgang oder einer (gemischten) Schenkung an die Tochter auszugehen war.

Nach Ansicht der belangten Finanzbehörde handelte es sich um ein entgeltliches Rechtsgeschäft, weil die Gegenleistungen mehr als 50% des Verkehrswerts ausmachten. Daher sei nach Maßgabe der ertragsteuerlichen Vorschriften Immobilienertragsteuer (ImmoESt) zu entrichten. Auch das Bundesfinanzgericht ging von einem entgeltlichen Vorgang aus.

Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte das Ergebnis der Vorinstanz. Bemerkenswert erscheint jedoch weniger das Ergebnis, sondern insbesondere die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs:

  • Die 50%-Grenze des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG, die bislang allgemein zur Abgrenzung von entgeltlichen und unentgeltlichen Vorgängen herangezogen wurde, ist aufgrund der Genese der Bestimmung lediglich für Rentengeschäfte maßgeblich.
  • Für andere Rechtsgeschäfte hat die Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften ausschließlich anhand der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu erfolgen.
  • Weicht der Wert der Gegenleistung um nicht mehr als 25% vom Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts ab, ist in der Regel von einem einheitlichen, entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen. Andernfalls ist bei Übertragungen zwischen Angehörigen grundsätzlich von einer (zumindest teilweisen) Schenkungsabsicht auszugehen.

 

Obgleich sich für den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt keine geänderte Beurteilung ergab, sind diesen Ausführungen für andere Verfahren maßgebliche Bedeutung beizumessen. Sofern die Gegenleistung bei Grundstücksübertragungen zwischen Familienangehörigen beispielsweise nur 50% oder 2/3 des Verkehrswerts beträgt, ist mit dem Verwaltungsgerichtshof nunmehr von einem unentgeltlichen – und somit keinem steuerpflichtigen – Vorgang auszugehen.

Sollte bereits ImmoESt für eine Liegenschaftsübertragung entrichtet worden sein, für die nach der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Steuerpflicht besteht, besteht im Fall der Selbstberechnung die Möglichkeit einer Korrektur im Veranlagungsweg binnen fünf Jahren ab Ende des Veranlagungszeitraums (Kalenderjahres), in dem die Liegenschaft übertragen wurde. Sofern bereits eine Veranlagung erfolgt ist, sollte es möglich sein, einen Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheids gemäß § 299 BAO innerhalb eines Jahres ab Bescheidzustellung zu stellen.


 

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