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22 April 2019

Rund um das Thema Headhunting ranken sich allerlei Mythen.

Zum Teil wurden sie von der Branche selbst erzeugt, zum Teil stammen sie aus dem Reich der Märchen. In Personalfragen geht es für Unternehmen bisweilen um Millionenentscheidungen, in jedem Fall aber um eine weichenstellende Entscheidung für die betroffene Privatperson. Grund genug, diese Mythen und Märchen einmal ein bisschen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Mit dem Industrialisierungsboom der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts waren bald alle Arbeitssuchenden der Nachkriegszeit in bestehenden Unternehmen untergebracht. Der steigende Bedarf an Arbeitskräften konnte nicht mehr über den freien Arbeitsmarkt, geschweige denn aus den eigenen Reihen gedeckt werden.

In diese Zeit fällt auch die Entstehung neuer Branchen innerhalb der Unternehmensdienstleistung.

Eine davon war die Personalberatung; der aus dem angloamerikanischen Raum stammende, eher negative Konnotationen hervorrufende Begriff „Headhunter“ wurde erst später zur Bezeichnung von Direktsuche-Beratern eingeführt.

Wie jede Unternehmensdienstleistung, die neu auf den Markt kommt, brauchte auch die des Personalberaters Zeit, um sich zu etablieren und zu allgemeiner Anerkennung zu gelangen. Die größten Gesellschaften entstanden in den 70er und 80er Jahren. Heute setzt die Branche weltweit rund 11 Mrd. Euro um, wovon gut 400 Mio. auf den deutschsprachigen Raum entfallen.

Mystische Branche

Junge Branchen haben sehr häufig die Tendenz, zahlreiche Ausdrücke zur Bezeichnung voneinander ähnelnden Dienstleistungen zu finden – darunter oftmals hochtrabende englische Begriffe für mitunter recht einfache Beratungstätigkeiten.

Dies betrifft auch den Begriff des Headhunters, der bisweilen unter den eleganten Bezeichnungen „Executive Search“ oder „Direct Search“ auftritt. Egal, welchen Terminus man bevorzugen mag, die Haupttätigkeit dieses Berufsstandes liegt im direkten Ansprechen potenzieller Kandidaten – mit dem Ziel, sie zu einem Wechsel des Auftraggebers zu bewegen.

Bis vor etwa 15 Jahren waren gute Datenbanken Hauptwerkzeug sowie Visitenkarte des Headhunters.

Die direkte Suche erfolgte ausschließlich über das Telefon – eine nervenaufreibende und zeitintensive Angelegenheit, vor allem im direkten Vergleich mit den Möglichkeiten, die uns heute durch die Informationsfülle des Internets zur Verfügung stehen. Diese Datenbanken umgibt bis heute eine fast schon mystisch anmutende Aura, sie werden oft als „Kapital erfolgreicher Berater“ bezeichnet.

Die Job Description verlangte außerdem vom Headhunter, ein ausgesprochener Netzwerker zu sein – mit Beziehungen zu den Top-Führungskräften des Landes und diversen Shooting-Stars gleichermaßen. Bis heute fühlen sich daher arbeitssuchende Manager zur aktiven Vernetzung mit Headhuntern genötigt, weil sie glauben, nur so auf den Top-Listen der Suchberater landen zu können.

Sowohl die Datenbanken als auch das vielzitierte Headhunter-Netzwerk können heute in das Reich der Mythen verbannt werden.

Die Datenbanken finden zwar nach wie vor Verwendung, in erster Linie aber innerhalb des Projektmanagements; in der Suche nach neuen Mitarbeitern sind sie aufgrund der geringen Halbwertszeit der Informationen nur bedingt sinnvoll einsetzbar. Mittels schneller Research-Prozesse können heute die Berater auf Basis der Zielfirmenliste alle Mitarbeiter des Unternehmens „frisch“ recherchieren.

Die „Rasterfahndung“ der Researcher, ermöglicht durch die offene Informationspolitik der Unternehmen, umfasst auch den Quervergleich mit sozialen Netzwerken und Karriereplattformen. Dadurch können innerhalb kürzester Zeit von den meisten Kandidaten nahezu alle Informationen eingeholt werden, die zum Aufbau eines professionellen Kontakts nötig sind.

Dennoch hält sich immer noch hartnäckig der Glauben, dass Headhunter über geheime Informationsquellen verfügen – eine im sogenannten Informationszeitalter nahezu naiv anmutende Vorstellung!

Dem Mythos des mächtigen Netzwerks von Top-Headhuntern stehen heute die steigende Objektivierung und Transparenz als Faktoren gegenüber. Noch bis in die 90er Jahre war der gute Headhunter ein Netzwerker in den obersten Schichten der Wirtschaftsgesellschaft, der Informationen – und damit auch Kandidaten – über seine weitreichenden Beziehungen beschaffen konnte.

Die Kontaktaufnahme zu den potenziellen Kandidaten wurde oftmals mit den Riten eines Geheimbundes verglichen, und nicht selten konnte man Aussagen hören wie: „Diesen Top-Mann kann uns nur der Maier von X & Partner bringen!“ Da die Direktansprache von Kandidaten damals noch nicht sehr verbreitet war, konnten sich viele Entscheidungsträger kein wirklich griffiges Bild von der Tätigkeit eines Headhunters machen – ein Umstand, der für lange Zeit bestehen blieb.

Keine Freunde

Aus heutiger Sicht wäre eine Vergabe von Stellen an Personen aus dem eigenen Netzwerk nahezu undenkbar – trägt eine solch nepotistische Verzerrung der Kandidatenauswahl dem gebotenen Objektivierungsanspruch (Sind die Auswahlkandidat/inn/en tatsächlich die beste Lösung für das Unternehmen?) doch keinesfalls Rechnung! Ein weiterer Mythos also, der sich bis zum heutigen Tag hartnäckig hält. Aber Netzwerke sind trotzdem von großer Relevanz für Headhunter: zum Kennenlernen von Auftraggebern.

Die Historie dieses Berufsstandes und die anfängliche Undurchsichtigkeit ihrer Dienstleistung haben zur Etablierung eines seltsam anmutenden Honorarmodells geführt. Da die Leistung in der Vergangenheit kaum quantifizierbar war (Wie gut ist das Netzwerk/die Datenbank?) und die Branche dynamisch gewachsen ist, griff man zu einer in den 70er Jahren im angloamerikanischen Raum üblichen Honorierungsmethode: der Provision.

Bis heute ist es gebräuchlich, dem Berater zwischen 20 und 30 % des Jahresgehaltes in drei gleichen Teilen an den Berater zu zahlen – bei Auftragsbeginn, bei Präsentation von geeigneten Kandidaten und bei „Abschluss“. Dieses Modell hat der Reputation der Branche stark geschadet, insbesondere die Seriosität der Dienstleistung hat an Glaubwürdigkeit eingebüßt.

Faktor Geld

Aus heutiger Perspektive scheint es tatsächlich fahrlässig, in einer solch kritischen Entscheidung einen Provisionär zwischenzuschalten – sowohl aus der Perspektive des Unternehmens, als auch aus jener der Privatperson.

Nicht erst seit Sprenger ist klar, dass Geld meistens nur in die falsche Richtung motiviert. Das Modell verleitet nämlich Berater, möglichst schnell (und somit ungenau) zu arbeiten, auch Kandidaten, die nicht hundertprozentig dem Profil entsprechen, zu pushen und dem Unternehmen eine falsche Marktsituation vorzugaukeln, um nur ja sicher einen „Abschluss“ zu landen. Besonders zur eigentlichen Aufgabe eines Beraters steht dieses Honorarmodell in einem paradoxen Verhältnis, müsste doch ein seriöser Berater gegen seine eigenen finanziellen Interessen entscheiden, wenn er etwa dem Unternehmen vom Einstellen eines vielleicht doch nicht optimal geeigneten Kandidaten abrät.

All das hat zur Folge, dass die Branche im „Seriositätsindex“ in etwa auf der Ebene der Immobilienmakler angesiedelt ist. Alle anderen Unternehmensberater haben sich, teilweise gegen den Wunsch ihrer Kunden, ein Gelübde auferlegt, nur die tatsächlich geleistete Stunde zu verrechnen – auch wenn Klienten von Rechtsanwälten und Steuerberatern nur allzu gerne erfolgsabhängig zahlen würden.

Das Auftreten der Headhunter trägt dadurch bisweilen eher hochstaplerisch anmutende Züge; der betont konservative Dresscode und das übertrieben seriöse Erscheinungsbild tun ihr Übriges. Tatsächlich fehlt der Branche ein valides Ethikkonzept in puncto Umgang mit Unternehmensdaten und Kandidaten. Verhaltensregeln, die in vielen anderen Branchen durch Dachverbände überprüft werden, sind hier ebenso wenig vorhanden. Ein Mythos, der keiner ist: Seriosität garantiert immer nur die Person bzw. das Unternehmen, nicht der Berufsstand an sich. Ob sich dies durch die Einführung der DSGVO verbessern wird, wird die Zeit weisen.

Dem mündigen Kunden bleibt schließlich nur, hinter die Kulissen zu blicken und für die mitunter saftigen Honorare, die er letztlich bezahlt, auch eine entsprechende Dokumentation und Transparenz einzufordern. Die Dienstleistung ist – wenn sie richtig ausgeführt wird – ein wertvoller Beitrag zum Unternehmenserfolg und muss hohen Ansprüchen an Professionalität und Seriosität gerecht werden. Und die meisten Vertreter unserer Branche erfüllen diese Kriterien auch. Im Wilden Westen hatten Headhunter auf Grund ihrer Tätigkeit Hausverbot – so weit wollen wir es dann bei uns doch nicht kommen lassen!