Auswirkungen des Coronavirus (SARS-CoV-2) auf UGB/IFRS Abschlüsse

Unsere Themen:

1. Auswirkungen auf den Jahresabschluss 2019/2020 - Werterhellung vs Wertbegründung?
2. Auswirkungen auf den UGB/IFRS Abschluss/Lagebericht 2019 – Welche Angaben zum Coronavirus sind erforderlich?
3. Auswirkungen auf den UGB/IFRS Abschluss mit abweichenden Stichtagen bzw Zwischenabschlüsse
4. Nach Aufstellung und Feststellung des Abschlusses werden neue Tatsachen zum Coronavirus bekannt

5. Auswirkungen auf die Prüfung von Abschlüssen

Der Ausbruch des Coronavirus (SARS-CoV-2) hat erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen, bspw aufgrund der Einschränkung von Produktion und Handel oder aufgrund von Reisebeschränkungen. Diese wirtschaftlichen Auswirkungen haben auch Folgen für die Rechnungslegung (UGB/IFRS) sowie auf die Prüfung der Abschlüsse und Lageberichte der betroffenen Unternehmen. Zum aktuellen Zeitpunkt ist die weitere Entwicklung nicht abzusehen, weshalb eine ständige Überprüfung der vorhandenen Informationen sowie ihrer möglichen Auswirkungen durch die für die Aufstellung von Abschluss und Lagebericht zuständigen Unternehmensorgane sowie durch deren Abschlussprüfer geboten ist. Am 16.3.2020 trat das Covid-19-Gesetz in Kraft, mit dem einerseits weitgehende Beschränkungen, andererseits aber auch weitreichende wirtschaftliche und finanzielle Hilfen für die vom Virus betroffenen Unternehmen eingeführt bzw in Aussicht gestellt wurden. Die mit dem Covid-19-Gesetz beschlossenen Maßnahmen können im Einzelfall auch Auswirkungen auf die notwendigen Angaben und Berichterstattungen im Anhang und Lagebericht sowie bei der Beurteilung der Going Concern Annahme haben. 

 

 

1. Coronavirus: Auswirkungen auf den Jahresabschluss 2019/2020 - Werterhellung vs Wertbegründung?

Fraglich ist, ob die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus, bspw durch Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder durch die Bildung von Rückstellungen, bereits in den Abschlüssen (UGB/IFRS) 2019 bzw 2019/2020 (im Fall eines abweichenden Wirtschaftsjahres) zu berücksichtigen sind. Maßgeblich für die Beantwortung dieser Frage ist, ob die Ausbreitung des Coronavirus und die wirtschaftlichen Folgen daraus bereits zum Bilanzstichtag angelegt waren, aber erst zwischen dem Abschlussstichtag und der Beendigung der Aufstellung des Abschlusses bekannt geworden sind. In diesem Fall liegt ein wertbeeinflussendes Ereignis (adjusting event gem IAS 10.3 a) i.V.m. IAS 10.8) vor, und die bilanziellen Auswirkungen sind bereits im Abschluss 2019 bzw 2019/2020 zu berücksichtigen. Treten die Ursachen für einen bilanziell zu berücksichtigenden Sachverhalt jedoch erst nach dem Abschlussstichtag auf, liegt ein wertbegründendes Ereignis (non-adjusting event gem IAS 3 b) i.V.m. IAS 10.10) vor, welches erst in den Abschlüssen der Folgeperioden zu berücksichtigen ist.

Bei der Qualifizierung eines Ereignisses als werterhellend oder wertbegründend ist nach Ansicht des IDW zu berücksichtigen, dass die Ausbreitung des Coronavirus ein fortlaufender Prozess und nicht ein zeitpunktbezogenes Ereignis darstellt. Zu einer sprunghaften Ausbreitung ist es erst nach dem 31.12.2019 gekommen. Spätestens mit den von der österreichischen Bundesregierung umgesetzten Maßnahmen sind die bilanziellen Auswirkungen des Coronavirus (va Schließungen von Betrieben und dadurch verursachte Beeinträchtigungen von Liefer- und Absatzprozessen) wirtschaftlich verursacht und als wertbegründendes Ereignis zu qualifizieren.

 

2. Coronavirus: Auswirkungen auf den UGB/IFRS-Abschluss/Lagebericht 2019

Welche Angaben zum Coronavirus sind erforderlich?
In Abschlüssen 2019 (UGB/IFRS) müssen die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus demnach als wertbegründendes Ereignis noch nicht im Zahlenwerk des Abschlusses (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung) berücksichtigt werden. Aufgrund der globalen Ausbreitung des Virus werden die finanziellen Auswirkungen der Coronavirus-Krise allerdings in vielen Fällen zu Abweichungen von Trends und Veränderungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage führen, sodass bei mittelgroßen und großen Unternehmen i.S.d. § 221 UGB eine Angabe als „wesentliches Ereignis“ im Anhang erforderlich sein wird. Gem. § 238 Abs. 1 Z 11 UGB (Jahresabschluss), § 251 Abs. 1 UGB (Konzernabschluss) bzw. IAS 10.21 a) und b)[1] sind Art und finanzielle Auswirkungen des Ereignisses anzugeben (siehe dazu Newsletter von Eiter/Fremgen vom 26.2.2020, Aktuelles: Finanzberichterstattung im Lichte des Coronavirus). Im UGB-Abschluss sind die Auswirkungen sowohl in Form von qualitativen Erläuterungen als auch – soweit möglich – durch quantitative Angaben darzustellen. Sofern dies nicht möglich ist, sieht IAS 10.21b) vor, dies im Anhang zu einem IFRS Abschluss explizit festzuhalten.

Parallel zur Darstellung der Coronavirus Auswirkungen im Anhang ist eine Berichterstattung über „wesentliche“ Risiken im Zusammenhang mit dem Coronavirus im Lagebricht erforderlich. Eine Angabepflicht besteht, wenn das Coronavirus einen wesentlichen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens haben kann. Aufgrund der erwarteten tiefgreifenden Auswirkungen der Coronavirus Maßnahmen der Bundesregierung wird dies bei sehr vielen Unternehmen der Fall sein. Die Risiken sind zumindest in qualitativer Form zu beschreiben, eine quantitative Angabepflicht ist aus dem UGB jedoch nicht ableitbar.

Sind die erwarteten Auswirkungen so schwer, dass im Zusammenhang mit dem Coronavirus wesentliche Unsicherheiten bestehen, die erhebliche Zweifel an der Unternehmensfortführung aufwerfen, sind diese „bestandsgefährdenden Risiken“ sowohl im UGB und IFRS Anhang, als auch im Lagebericht angemessen zu beschreiben. Bei der Einschätzung, ob die Going Concern Annahme angemessen ist, sind gem KFS/RL 28 bzw. IAS 1.26 zunächst sämtliche verfügbaren Informationen zumindest für die nächsten 12 Monate nach dem Bilanzstichtag zu berücksichtigen. Sind darüber hinaus erhebliche negative Abweichungen erkennbar, muss der Abschlussersteller gem KFS/RL 28 für zumindest 12 Monate ab dem Zeitpunkt der Abschlusserstellung bzw für das gesamte folgende Geschäftsjahr eine erweiterte Unternehmensplanung bzw. eine Fortführungsprognose zu erstellen.

Gemäß dem Leitfaden Fortbestehensprognose 2016 ist eine Fortbestehensprognose zu erstellen, wenn handfeste Krisensymptome, die eine weitere Verschlechterung der Unternehmenssituation erwarten lassen müssen und bei anhaltenden negativen Ergebnissen zu einer Aufzehrung des Eigenkapitals im nächsten Jahr führen könnten oder die sonst eine Bestandsgefährdung implizieren. Aufgrund der teilweise massiven Auswirkung der ergriffenen Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 können die Auswirkungen dieser Maßnahmen für sich alleine eine Bestandsgefährdung implizieren, ohne dass das berichtende Unternehmen zuvor Krisensymptome gezeigt hätte und somit die Pflicht zur Erstellung einer Fortbestehensprognose begründen. Insbesondere die Vermutung einer Zahlungsunfähigkeit oder einer Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts können einer Going-Concern-Annahme entgegenstehen.

Bei einer wesentlichen Unsicherheit i.Z.m. der Going Concern Annahme sind gem KFS/RL 28 in Anhang und Lagebericht die wesentlichen der Unternehmensfortführung möglicherweise entgegenstehenden Gründe und die Pläne, diesen Gründen zu begegnen, angemessen darzustellen.

Da Kleinstgesellschaften gem § 221 Abs. 1a UGB keinen Anhang erstellen müssen, sind sie auch bei Vorliegen wesentlicher Going Concern Unsicherheiten nicht verpflichtet, entsprechende Angaben zu machen. Allerdings müssen auch diese im Rahmen der Abschlusserstellung eine angemessene Beurteilung der Fortführungsannahme vornehmen bzw. ggf. eine Fortbestehensprognose erstellen.

Sofern das Unternehmen keine realistische Alternative mehr hat, als das Geschäft einzustellen oder das Unternehmen aufzulösen, muss von der „Going Concern“ Annahme im Rahmen der Bilanzierung abgegangen werden.

Im Zusammenhang mit notwendigen Angaben und Berichterstattungen zu „bestandsgefährdenden“ Risiken in Anhang und Lagebericht können die mit dem Covid-19-Gesetz beschlossenen finanziellen Maßnahmen eine wesentliche Hilfe darstellen. Durch die Abfederung von Einnahmeausfällen, die Inanspruchnahme von Kurzarbeit, Stundungen, Garantien und andere Liquiditätshilfen können die finanziellen Auswirkungen abgemildert und dadurch auch die zu berichtenden Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage reduziert werden.

Die Liquiditätsmaßnahmen der Bundesregierung zielen explizit darauf ab, die Unternehmensfortführung möglichst vieler Unternehmen sicherzustellen. Die beschlossenen Maßnahmen können daher ein maßgeblich stützender Faktor bei der Beurteilung der Going Concern Annahme sein. Allerdings wird unter Berücksichtigung konkreter erwarteter Auswirkungen und Unterstützungen im Einzelfall zu untersuchen sein, ob die Prämisse der Unternehmensfortführung ausreichend gesichert ist. Umgekehrt wird die Beantragung entsprechender Coronavirus Liquiditätshilfen unter Berufung auf die Gefährdung der Unternehmensfortführung wohl zu einer entsprechenden Berichterstattung in Anhang und Lagebericht führen müssen.

 

3. Coronavirus: Auswirkungen auf den UGB/IFRS-Abschluss mit abweichenden Stichtagen bzw Zwischenabschlüsse

Je später der Bilanzstichtag liegt, desto mehr ist in dem fortlaufenden Prozess der Coronavirus Ausbreitung davon auszugehen, dass die finanziellen Auswirkungen bereits vor dem Abschlussstichtag begründet wurden und die bilanziellen Auswirkungen daher bereits im Abschluss zu berücksichtigen sind. Da mit dem Covid-19-Gesetz auch wesentliche Beeinträchtigungen für Unternehmen verfügt wurden, ist dies wohl spätestens für Abschlüsse mit Stichtag 31.3.2020 der Fall.

Die finanziellen Auswirkungen des Coronavirus können in diesen UGB-Abschlüssen insbesondere die Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen und die Bildung von Rückstellungen erforderlich machen. Auch hier sind die Auswirkungen – sowohl der Einschränkungen und Einnahmenausfälle, als auch deren Erstattungs- und Kompensationsmöglichkeiten durch das COVID-19 Gesetz - im Einzelfall zu analysieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass werterhellende Erkenntnisse nach dem Bilanzstichtag gem AFRAC 16 bzw. IAS 10.3 a) i.V.m. IAS 10.8 bis zur Aufstellung bzw Feststellung in der Form zu berücksichtigen sind, dass die Abschlusszahlen (Bilanz/GuV) anzupassen sind.

Bei Erstellung von IFRS-Abschlüssen ist zu berücksichtigen, dass gem IAS 36.9 an jedem Stichtag einzuschätzen ist, ob ein Anhaltspunkt („triggering event“) für eine Wertminderung von Vermögenswerten vorliegt. Zu diesen „triggering events“ zählen gem IAS 36.12 b) signifikante Veränderungen im marktbezogenen, ökonomischen oder rechtlichen Umfeld mit negativen Folgen für das Unternehmen, die während der Periode eingetreten sind oder in nächster Zukunft eintreten werden.

Die Einschränkungen und finanziellen Auswirkungen der im Zusammenhang mit dem Coronavirus verfügten Maßnahmen werden entsprechend dieser Definition in vielen Fällen ein „triggering event“ darstellen, wobei der Begriff „signifikant“ als Voraussetzung für das Vorliegen eines „triggering event“ in IAS 36 nicht definiert ist und bei geringerer Betroffenheit noch einen Interpretationsspielraum zulässt. Jedenfalls wird sich das Unternehmen mit den Auswirkungen der Coronavirus Maßnahmen auf die Unternehmenspläne auseinandersetzen und ihre Einschätzung zum Vorliegen eines „triggering event“ dokumentieren müssen.

Liegt ein „triggering event“ vor, ist ein Werminderungstest („Impairmenttest“) der betroffenen zahlungsmittelgenerierenden Einheiten („CGU’s“) gem IAS 36 durchzuführen (siehe dazu Newsletter von Eiter/Fremgen vom 26.2.2020, Aktuelles: Finanzberichterstattung im Lichte des Coronavirus). Dies gilt nicht nur für den Jahres-/Konzernabschluss, sondern gemäß IAS 34.28 auch für Zwischenabschlüsse wie Quartals- und Halbjahresabschlüsse.

Wertminderungserfordernisse können sich aufgrund der stark gefallenen Börsenkurse auch für finanzielle Vermögenswerte ergeben.

Analog zum UGB-Abschluss ist auch bei der Erstellung von IFRS-Abschlüssen zu prüfen, ob Rückstellungen zu bilden sind. Die Regelungen in IAS 37 sind im Verhältnis zum UGB sowohl dem Grunde nach, als auch der Höhe nach jedoch etwas restriktiver.

Darüber hinaus ist bei der Erstellung von IFRS-Abschlüssen zu berücksichtigen, dass im Falle von Kreditvertragsverletzungen („Covenants Breach“) als Folge negativer Coronavirus Auswirkungen gemäß IFRS 7 Angabepflichten bestehen, wenn Finanzierungsvereinbarungen nicht eingehalten werden.

Die Ausführungen zu „bestandsgefährdenden Risiken“ sowie die Beurteilung der Berichterstattung zu Going Concern im vorigen Abschnitt gelten grundsätzlich für diese Abschlüsse analog.

 

4. Nach Aufstellung und Feststellung des Abschlusses werden neue Tatsachen zum Coronavirus bekannt

Eingangs wurde – gestützt auf die Auffassung des IDW – die Qualifikation des Coronavirus als wertbeeinflussendes Ereignis für Abschlüsse 2019 erläutert. Nach AFRAC besteht für wertbeeinflussende Ereignisse keine Verpflichtung, einen bereits aufgestellten Abschluss aufgrund neu bekannt gewordener wesentlicher Umstände zu ändern. Ausgenommen davon sind nur Umstände, die aufgrund ihrer Tragweite die Anwendbarkeit des Grundsatzes der Unternehmensfortführung insgesamt in Frage stellt.

 

5. Coronavirus: Auswirkungen auf die Prüfung von Abschlüssen

Die globale Ausbreitung des Coronavirus kann Auswirkungen auf den Prozess der Abschlussprüfung haben. Gerade aufgrund der hohen Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus müssen nach Auffassung des IDW eine Beurteilung der Auswirkungen durch den Aufsteller des Abschlusses und Prüfungshandlungen durch den Abschlussprüfer möglichst zeitnah zum Datum des Bestätigungsvermerks erfolgen.

Konsequenzen auf den Bestätigungsvermerk bestehen bspw dann, wenn die nach Einschätzung des Abschlussprüfers erforderlichen Angaben im Anhang zu Ereignissen nach dem Bilanzstichtag unterlassen werden und es sich dabei um eine wesentliche falsche Darstellung des Abschlusses handelt. Gleiches gilt für eine wesentlich unrichtige Darstellung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus im (Konzern-)Lagebericht. Ebenso kann es zu einer Modifizierung des Bestätigungsvermerks kommen, wenn der Abschlussprüfer erforderliche Angaben von betroffenen Regionen ansässigen Tochterunternehmen bzw Betriebsstätten nicht zeitnah erhält.

Je nach Umfang der möglichen Auswirkungen auf den (Konzern-)Abschluss und den (Konzernlagebericht) kann das u.U. eines eingeschränkten Bestätigungsvermerks oder sogar die Erklärung der Nichtabgabe eines Bestätigungsvermerks zur Folge haben.

In Österreich befassen sich derzeit IWP und AFRAC mit der Thematik. Eine Stellungnahme über die Auswirkungen des Coronavirus auf die Rechnungslegung und Abschlussprüfung wird in den kommenden Tagen erwartet.

Für allfällige Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.

 


[1] Im IFRS Abschluss ohne Größenbeschränkung